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1 Einleitung

1.1 Themenstellung

Gegenstand dieser Arbeit ist das Entropiegesetz und seine Bedeutung für die Umweltökonomie. Das "Grundgesetz vom Niedergang", wie Schütze [1] es genannt hat, trifft in seiner ursprünglichen Bedeutung Aussagen über die Umwandlung von verschiedenen Formen von Energie bzw. über ihre "Nutzbarkeit" u.a. für menschliche Belange. So ist zu erklären, daß die stärkste Beschäftigung der Ökonomen mit dem Entropiegesetz in der Folge [2] der sog. "Ölkrise" und der Studie "Grenzen des Wachstums" [3] stattfand, da zu dieser Zeit der Gedanke einer plötzlichen Erschöpfbarkeit der Energiequellen um so stärker in den Vordergrund drang, wie es in der Zeit davor normal erschien, daß sich der Energieverbrauch regelmäßig verdoppelte.

Das Thema "physikalische Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums" ist in der öffentlichen wie auch in der (wirtschafts-) wissenschaftlichen Diskussion durch aktuellere und akutere Probleme in den Hintergrund gedrängt worden und mit ihm auch der Begriff Entropie. Diese akuteren Probleme sind vor allem im Zusammenhang mit Stoffen zu sehen, die den Bereich des menschlichen Wirtschaftens verlassen. Die zunehmende Umweltverschmutzung stellt sich in den letzten Jahren als das vordringliche Problemfeld für die Umweltökonomie dar. Zu erinnern wäre hier beispielhaft einerseits an die Unfälle bei Sandoz in Basel und des Kernkraftwerks in Tschernobyl sowie die Havarie des Tankers Exxon Valdez in Alaska. Andererseits ist aber auch der "Normalbetrieb" mit Problematiken wie der u.a. durch FCKWs zunehmenden Zerstörung der Ozonschicht oder auch dem übermäßigen Auftreten von Ozon in Bodennähe im Zusammenhang mit dem photochemischen Smog verbunden. Als weiteres Beispiel, das das komplexe Zusammenspiel verschiedener Effekte aufzeigt, läßt sich hier noch das im letzten Sommer dramatisch angestiegene Algenwachstum vor allem im Mittelmeer anführen. [4] Das relativ geringe Interesse am Problem der Ressourcennutzung wird von Georgescu-Roegen aber auch damit begründet, daß Umweltverschmutzung direkt erfahren wird, während der Abbau von Ressourcen unter der Erde, den Blicken der Öffentlichkeit entzogen, vor sich geht. [5]

Durch diesen "Verdrängungsprozeß" sind aber auch die neu entwickelten Ansätze zur Beschreibung des Wirtschaftens, die naturwissenschaftliche Gegebenheiten explizit zu berücksichtigen versuchen, aus dem Blickfeld verschwunden.

Einige Ansätze, die man der ökologisch orientierten Umweltökonomie [6] zurechnen kann, versuchen beide Aspekte zu verknüpfen. Hierbei wird, zumindest von einigen, wieder bzw. noch mit dem Entropiekonzept gearbeitet. Es bieten sich dabei Möglichkeiten, auch die Interdependenzen zwischen beiden Bereichen zu erfassen. Diese laufen Gefahr, durch die analytische Trennung der Probleme Umweltverschmutzung auf der einen und Knappheit an nichterneuerbaren und erschöpfbaren Ressourcen auf der anderen Seite übersehen zu werden. Daly erläutert, daß in der ökonomischen Diskussion in der Regel die beiden "Enden" des Wirtschaftens ausgeklammert werden. Auf der einen Seite ist das die letztendliche Herkunft der Güter, die den Wohlstand bzw. das Wohlergehen der Menschen ermöglichen. Vor allem diese "Seite" wird in dieser Arbeit behandelt. Auf der anderen Seite werden aber auch Fragen der Herkunft der Präferenzen der Konsumenten aus der ökonomischen Diskussion in der Regel ausgeklammert. Auch in dieser Arbeit wird dieser Bereich am Rande immer wieder angesprochen werden. Dies begründet sich aus der Tatsache, daß die meisten Ökonomen, die sich mit den Konsequenzen des Entropiegesetzes für die Ökonomie befaßt haben, Wert auf die Feststellung legen, die Präferenzen der Konsumenten müßten sich ändern, damit Konsequenzen aus ihren Ergebnissen auch (demokratisch) durchsetzbar sind. Vor allem äußern sie auch wiederholt implizit die Vermutung, das beobachtbare Nachfragerverhalten sei unter bestimmten übergeordneten Gesichtspunkten nicht rational.

1.2 Aufbau der Arbeit

Im folgenden (Gliederungspunkt 2.) werden zuerst die physikalischen Grundlagen dieser Arbeit kurz vorgestellt. Es handelt sich auf der einen Seite vor allem um den ersten und zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, auf der anderen Seite um einige neuere Ergebnisse aus dem Bereich der Nichtgleichgewichts- Thermodynamik.

Bei den ersten beiden Hauptsätzen der Thermodynamik handelt es sich um den Energieerhaltungssatz und das Entropiegesetz. [7] Aus dem Bereich der Nichtgleichgewichts-Thermodynamik sind für diese Arbeit vor allem die unter dem Stichwort "dissipative Strukturen" bekannten Erkenntnisse von Prigogine von Bedeutung, sowie einige damit in Verbindung stehende Ergebnisse der sogenannten "Chaos- Forschung".

Den naturwissenschaftlich orientierten Teil schließt eine Darstellung der Bedeutung der vorgestellten Erkenntnisse für die Behandlung des Phänomens "Zeit" ab.

Obwohl es berechtigt erscheint, die Darstellung der naturwissenschaftlichen Grundlagen, wie oben geschehen, als "kurz" einzustufen, nimmt sie doch einen für den Rahmen einer wirtschaftswissenschaftlichen Arbeit erheblichen Raum ein. Dies ist aber m.E. dadurch gerechtfertigt, daß sich viele Ökonomische Schlußfolgerungen aus diesen naturwissenschaftlichen Gegebenheiten letztlich widersprechen, weil bei der kurzen und knappen Darstellung naturwissenschaftlicher Tatsachen ein Teil der Differenziertheit der Aussagen verlorengegangen ist. Insbesondere ist häufig eine eher geringe Beachtung der Grenzen der Aussagekraft naturwissenschaftlicher Gesetze zu beobachten. Beispielhaft sei hier nur die weiter unten vorgestellte Erweiterung des Entropiegesetzes auf Aussagen über Materialien erwähnt.

Im zentralen Teil dieser Arbeit, unter Gliederungspunkt 3, werden ökonomische Ansätze vorgestellt, bei denen versucht wird, diese physikalischen Grundlagen zu berücksichtigen. Dabei wird von einem kurzen Überblick über frühe Standpunkte, die zumindest im Sinne des Entropiegesetzes argumentieren, wenn sie sich z.T. auch nicht darauf berufen, ausgegangen. Im Anschluß daran werden die bekannten Arbeiten von Georgescu-Roegen und ähnliche Ansätze vorgestellt, sowie neuere Versuche, die sich dadurch auszeichnen, daß auch Erkenntnisse der Nichtgleichgewichts-Thermodynamik mit in die Analyse einbezogen werden.

Hierbei korrespondieren die älteren Arbeiten eher mit den in den ersten beiden Hauptsätze der Thermodynamik, dem Energieerhaltungssatz und dem Entropiegesetz zum Ausdruck kommenden Grenzen, während die neueren Ansätze eher an dem Gedanken orientiert sind, daß das wirtschaftliche Handeln nicht die einzige Quelle der Entropiezunahme darstellt.

Im Rahmen der Schlußbetrachtung wird dann, neben einer Beurteilung der betrachteten Ansätze, auch hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz, der m.E. vorhandene "gemeinsame Nenner" nochmals zusammenfassend dargestellt.


[1] Schütze, Christian: das Grundgesetz vom Niedergang, München, Wien 1989.

[2] Vgl. z.B. Müller, Karl-Wilhelm / Ströbele, Wolfgang: Wachstumstheorie, München, Wien 1985, S.1-2.

[3] Vgl. Meadows, D. H. u. a.: The Limits to Growth, New York 1972

[4] Nach Aussage der Autoren einer Studie der UN stellt nicht etwa die Erschöpfung der Energie- und Rohstoffquellen, sondern die andauernde Nutzung neuentdeckter Quellen das Problem dar. Durch diese Entwicklung rücke nämlich die Umweltkatastrophe unaufhaltsam näher. vgl. Simonitsch, Pierre: Alle zehn Jahre wächst noch ein China heran, Frankfurter Rundschau Nr.112 vom 15.05.90, S.24.

[5] Vgl. Georgescu-Roegen, Nicholas: Energy and Economic Myths, in: Southern Economic Journal, Vol. 41 (1975), Nr. 3, S.347-381, hier S.364.

[6] Binswanger spricht von einer "ökologisch orientierten Wirtschaftswissenschaft": Binswanger, Hans Christoph: Ökologisch orientierte Wirtschaftswissenschaft, in: Jan Jarre (hrsg.): Die Zukunft der Ökonomie, Rehburg- Loccum 1985, S.141-160, hier S.141, bzw. Binswanger, Hans Christoph: Nichts wird aus nichts, in: Wirtschaftswoche Nr. 33 vom 10.8.1984, S. 80-83, hier S.80.

[7] Die Hauptsätze der Thermodynamik werden unter dem Stichwort "Gleichgewichts-Thermodynamik" vorgestellt, da sie das Verhalten thermodynamischer Systeme in der Nähe des thermodynamischen Gleichgewichts beschreiben.


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